Samstag, 10. Mai 2025

Gedanken und Gefühle

Wenn wir frei schreiben, befreien wir uns von unseren Gedanken. Ich kann das aber irgendwie nicht. Meine Gedanken lauern überall. Bevor ich zum Stift greife, sind sie schon da. Ich weiß nicht, was ich fühle, aber ich weiß ganz genau, was ich denke. Außerdem sind meine Gedanken immer im Wettkampf miteinander – jeder Gedanke möchte klüger sein als die anderen. Ich kann gerne auch in Gegensätzen denken und nach Erklärungen für alles suchen. Ich ordne gerne meine Gedanken, suche Analogien, Beweise, widerspreche ihnen. Alles Mögliche. Das fällt mir nicht schwer.

Soweit ich aber über meine Gefühle schreiben will, habe ich ein Gefühl, durch ein Dickicht, einen dichten dunklen Wald gehen zu müssen. Ich kann sie kaum sehen, kaum nennen, kann sie kaum mit Worten beschreiben. Ich habe nur eine dunkle Ahnung davon. Meine Gedanken wollen meine Gefühle nicht freilassen, sie wollen sie bewerten. Sie haben meine Gefühle irgendwo eingesperrt und das Schlüsselchen ist verloren. Wenn meine Gefühle ein Fluss wären, wären meine Gedanken ein Damm. Vielleicht habe ich einfach Angst, dass es zu einer Überschwemmung kommt.

Meine Gefühle fand ich immer unpassend. Schon als Kind fühlte ich mich an Feiertagen besonders traurig. Und es war mir gerade sehr lustig, wenn es um ernste Dinge ging und es eigentlich keinen Grund zum Lachen gab. Ich konnte nicht erklären, warum ich mich immer so komisch fühlte. Und gerade wenn ich von vielen Menschen umgeben war, fühlte ich mich am einsamsten. Ich konnte meine Gefühle nicht einordnen und kann das auch heute immer noch nicht. Vielleicht muss ich das auch nicht. 

Normalerweise wachen meine Gedanken über meine Gefühle. Wenn aber etwas schiefläuft und die Wache für ein paar Sekunden einschläft, brechen die Gefühle für einen Moment aus ihrer Haft aus. Immer unpassend. Fehl am Ort. Und ich schäme mich jedes Mal dafür. Aber danach fühle ich mich erleichtert und glücklich wie noch nie zuvor.


2 Kommentare:

  1. Das ist der Anfang. Weiter wird es noch spannender!

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  2. Kirill, vielen Dank für Deinen Kommentar! Bin gespannt, was weiter kommt.

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