Samstag, 26. April 2025

Einsame Menschen finden Trost in Maschinen

Einsamkeit, Geschlossenheit und… Angst? Angst vor Missverständnissen, Angst vor Aggression, Angst davor, ohne sofort offenbarte richtige Antworten zu leben. Angst vor der Ausweisung. An diese Worte kommen mir in den Sinn, wenn ich an die menschlichen Beziehungen im 21. Jahrhundert denke. 

Es ist viel leichter, mit Künstlicher Intelligenz zu sprechen. KI ist immer positiv und immer einverstanden mit dir. KI antwortet sofort und hat keine Ausreden, warum sie nicht antworten kann. Sie ignoriert einen nie und ist immer freundlich. KI gibt die besten Ratschläge. Am Ende der Kommunikation tröstet sie die Person und lässt jemanden sich fühlen, dass er oder sie gehört wurde. 

The (AI) therapist is in: Can chatbots boost mental health?

Nach dieser idealen Kommunikation vergessen viele Menschen ihre Beziehungen mit realen Personen. Sie sprechen nur mit KI, sie bitten nur KI um Ratschläge. Ich muss ehrlich zu Ihnen sein, ich kann Sie verstehen. 

Diese Menschen, welche KI als Freund wählen, haben vermutlich oft wegen ihrer realen Freunde gelitten. Das ist lange Zeit so gegangen, bis es zu sehr weh tat, weiter zu versuchen, mit anderen zu sprechen. Und ich glaube nicht, dass ich das ihnen vorhalten kann. 

Menschen waren immer… kompliziert. Sie widersprechen sich oft, sie sagen schlechte Worte zueinander ohne jeden Grund. Sie verändern sich zu oft. Die Freundin, die ich seit zwei Jahren gekannt habe, hat sich mit einem Mal verändert. 

Natürlich, als ich darüber nachgedacht habe, habe ich bemerkt, dass sie sich  langsam, aber unaufhaltsam verändert hat, und ich wollte es einfach nicht bemerken, und die Hoffnung flackerte in mir, dass es vorübergehend ist, dass alles vorbeigehen würde. 

Die Veränderungen in den Menschen sind wie der Wechsel der Jahreszeiten. Aber während wir die unvermeidlichen Jahreszeiten der Natur willkommen heißen, fällt uns das bei Menschen schwer. 

Es tut höllisch weh zu sehen, wie eine Person, die dich lange Zeit verstanden hat, nicht mehr da ist. Ihre Gesicht und Körper sind gleich, aber ihr Gehirn kannst du nicht mehr erkennen. «Mag sie Lila immer noch oder nicht? Ist diese Rockgruppe immer noch ihre Lieblingsband?», manchmal findest du dich unwissentlich hinter diesen Fragen wieder.

Sprechen mit KI kann uns helfen, die Realität lange Zeit zu ignorieren und in einer perfekten Welt zu leben. Aber unsere Welt hatte es nie mit dem Idealen zu tun. Unsere Welt ist gleichzeitig unglaublich hässlich, entsetzlich, wunderschon und mies. 

Nicht alle Augen können es sehen und ertragen. Viele Leute brauchen eine Brille, damit sie in dieser Welt überleben können, und den Platz dieser Brille ersetzt Künstliche Intelligenz gerne. 

Aber hier liegt ein großes Problem. Die desinfizierte Realität, die KI uns bietet, ist grundsätzlich unnatürlich für uns. 

Es ist die Superfähigkeit des Menschen, etwas Schönes in nicht perfekten und kaputten Dingen zu sehen. Es gibt so viel Kunst von gebrochenen Dingen, und das ist kein Zufall. Menschen haben sich immer für etwas interessiert, was nicht funktioniert, und hatten diese irrationale Liebe für Dinge, welche keinen Nutzen bringen. 

Es ist unsere Natur zu wissen, dass der Tod in seinem Verständnis schön ist, dass es gut ist, unterschiedlich zu sein: gedemütigt, laut, stark, liebevoll, heulend und geschlossen. 

Es ist natürlich, ein gebrochener Mensch zu sein. Dass bedeutet, du hast gelebt und Erfahrungen gesammelt. Du hast etwas hinterlassen und etwas entwickelt. 

Veränderungen sind Teil der Natur und wir als Kinder der Natur müssen das akzeptieren, als wäre das der wunderbare letzte Augenblick.

Aprilember

Momentan haben wir eigentlich Frühling, aber es schneit schon die ganze Woche lang. Aprilschnee. Er bedeckt rücksichtlos das zartgrüne Gras, die ersten gelben Blümchen. Alles verwandelt sich zuerst in Weiß, dann aber in Schmutz und Dreck, weil der Aprilschnee doch schnell taut. 

Eines Tages mitten im Frühling kommt es sogar zu einem Schneesturm. Ich bin draußen mit meinem Sohn Sachar. Als der Sturm sich legt, kann ich unsere Spuren im Schnee sehen. In meinen Fußabdrücken erkenne ich Umrisse von Schmetterlingen. Egal wo ich hingehe, hinterlasse ich Schmetterlinge. Erst jetzt wird es mir bewusst. Ich zeige sie Sachar. Er berührt vorsichtig ihre Flügel, aber die Schmetterlinge regen sich natürlich nicht. Sie können nicht flattern und bleiben für immer im Schnee erstarrt. Schmetterlinge im Schnee. Ich halte innen. Fühle mich auch wie erstarrt. Stumme Winterstarre mitten im Frühling.

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Aprilschnee im April 2020 wahrgenommen. Corona-Pandemie. Auf einmal war alles ganz anders. Die Pandemie hat uns alle verändert und wir haben gelernt, wie eine Schnecke zu sein. Oder wie eine Raupe im Kokon. Wenn es alles online gibt, braucht man es ja nicht unbedingt, rauszugehen. Online Meetings, Online Shopping, Online Dates. Online-Wahlen.

Die Pandemie hat mir aber die Hoffnung gegeben, dass es mal auch Kriege nur online gibt. Die Menschen aus der ganzen Welt hatten ja alle zusammen gegen den gemeinsamen Feind Covid-19 zu kämpfen und es war da einfach überflüssig, einander zu bekriegen. 

Leider funktioniert # StayHome. Save Lives im Moment nicht mehr. Viele Menschen können nicht mehr zu Hause bleiben, weil sie vor Bomben fliehen müssen. Viele Leben können nicht gerettet werden, weil Raketen alles um sich herum zerstören. 

Da stelle ich mir die Frage: Was für eine Welt hinterlassen wir unseren Kindern? Voller beflügelnder Zukunftserwartungen oder doch voller bitterer Verantwortung für zerstörte Häuser und Schicksale? In diesem April zeige ich Sachar regungslose Schmetterlinge im Schnee, die meine Füße hinterlassen haben. Was werden unsere Kinder im nächsten April sehen? Unsere Kinder, die wir zum Glück immer noch nur offline bekommen können. Und sie werden geboren, auch wenn Kriege toben. Abgesehen davon und den Kriegen zuwider. Mein zehnjähriger Sohn kam am vierundzwanzigsten Februar zur Welt.

Schnee erinnert mich jedes Mal ans Neujahr. Neuanfang? Weiße Hoffnung inmitten vom schwarzen Dreck? 

Der Schnee taut und das zartgrüne Gras und die gelben Blümchen sind wieder da. Die leblosen Schmetterlinge im Schnee gibt es nicht mehr. Raupen verwandeln sich in Schmetterlinge und fliegen aus dem Kokon raus. Blumen warten auf Schmetterlinge. 





Unsere Welt wartet auf den Frieden.  


Polina Astaschkina

Freitag, 25. April 2025

Das bin ich

Sprache, Verwunderung, Geduld

Schande, Füller, Laune

Kuchen, Tasse, Heft 

Weg mit Schwermut, Luft, Luft in den Worten.




Rhythmus, Sonne, Stromleitungen

Henne, Elch, Hitze,

Heulen, Autos, Teich

Fische, Sonnenbrand, Rollerblades

Kette am Fahrrad, Bremsen, Windhauch.

Mittwoch, 23. April 2025

So kann man ein Fahrrad reparieren


Die Situation sieht so aus: 3 Freunde, ein gebrochenes Fahrrad und Geldmangel.





Die offensichtlichste Lösung ist der Rat: 'Kannst du es nicht schaffen? Lerne!'

Die Reparaturfähigkeit ist eine wichtige Kompetenz, dank ihr kann man später viel Geld und Zeit sparen. 

Aufgrund der häufigen Verwendung der Fahrräder und der teuren Servicekosten ist es so praktisch, es zu lernen.

Schritt 1: Schaue zuerst durch ein Fahrrad gezielt, um deutlich zu definieren, was kaputt ist

Schritt2: Recherchiere das Thema im Internet, um eine detaillierte Vorschrift zu finden. Am besten passt eine Demo genau für dein Modell, aber wenn du Pech hast, benutz die Vorschrift für ein ähnliches Modell.



Schritt 3: Finde die Ersatzteile auf Ebay, versuche auch gebrochenes Fahrrad in der Abteilung 'Zu verschenken' zu finden, so bekommst du viele Ersatzteile gratis.

Schritt 4: Es kommt die Zeit, die Reparatur zu beginnen. Niemand sagte, dass du es beim ersten Mal erledigen kannst. Bemühe dich und so wirst du einen Grund haben, stolz zu sein.

Viel Spaß! 


Anja Kharlamowa


Freitag, 18. April 2025

Die Heilende Feder: Schreiben als unerwartete Therapie

In den letzten Jahren habe ich immer wieder nach Wegen gesucht, um mein mentales Wohlbefinden zu verbessern. Ich hatte viele Planungs-Apps probiert und versucht, neue schöne Gewohnheiten in meinem Leben anzuwenden, aber diese Versuche waren nicht sehr erfolgreich, und ich bin ohne einen Plan ins Leben zurückgekehrt.


Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich an einem Wintertag diese interessante Selbstpflege-App entdeckte. Damals war ich sehr frustriert, dass ich meine Ziele so langsam erreichte und eher spontan arbeitete, wenn ich einen Energieschub verspürte.


In diesem Moment war ich ein bisschen skeptisch. Kann mir das wirklich helfen, oder wird diese App wie alle anderen Selbstpflege-Apps im Müll landen? Also, am nächsten Tag habe ich trotz der Zweifel angefangen, diese App zu benutzen. Ich habe gedacht: Warum nicht? Was werde ich verlieren?


Das war, wie mein Weg mit dieser App begann. Ich habe alle meine Ziele aufgeschrieben und angefangen, sie zu erreichen. Aber das ist natürlich nicht alles.


In dieser App gibt es einen Vogel. Der Vogel hat ein Haus, das ich dekorieren kann, und Kleidung, die ich verkaufen kann, wenn ich viel Geld durch das Erreichen meiner Ziele habe. Es ist wie ein Tamagotchi, aber er kann nicht sterben und ich muss ihn nicht füttern.


Nach drei oder vier Tagen war ich total motiviert, meine Ziele schneller zu erreichen, damit ich viele schöne Möbel für mein Haus kaufen und meinen Vogel stilvoll gestalten kann.


Was noch? In dieser App kann ich auch meine Stimmung festhalten, und wenn etwas Schlechtes oder Schönes passiert, schreibe ich das in Notizen in der App. Nach einer Woche kann ich eine Statistik meiner Stimmung sehen und auch Notizen vom Anfang der Woche.


Fast jeden Morgen für einen Monat hatte ich in meiner Selbstpflege-App auch das Dankbarkeitstagebuch. Ich habe bemerkt, dass es mir hilft, mich besser zu fühlen und dankbarer für meine Familie und Freundinnen zu sein. Manchmal schreibe ich, was ich von einem neuen Tag erwarte und was das wichtigste Ziel für mich im Moment ist. Außerdem werde ich durch das Schreiben bewusster über meinen mentalen Zustand.


Ich habe so viele Jahre in unterschiedlichen Kunstformen wie Prosa und Poesie geschrieben, aber erst jetzt habe ich verstanden, wie nützlich Schreiben für unser Wohlbefinden ist.


Ich habe selbst gesehen, wie positiv der Eindruck ist, den ich bekomme, wenn ich meine Gefühle auf Papier oder der Tastatur des Computers ausdrücke. Für mich ist das Schreiben auf dem Computer das Beste, weil meine Gedanken sehr schnell sind und ich durch den Computer alles festhalten kann. 


Ich weiß, dass viele Leute das Schreiben auf Papier empfehlen, weil handschriftliches Schreiben ganz anders ist, aber wenn ich das mache, konzentriere ich mich mehr auf meine schlampige, chaotische Handschrift und nicht auf meine Gedanken.


Für lange Zeit habe ich meine Gedanken unbewusst in einer Notizen-App auf meinem Handy geschrieben, dennoch ist es eine meiner ältesten Gewohnheiten aus der Kindheit. Dank dieser App habe ich gelernt, dass es eine schöne Methode der Therapie ist.


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Ich habe auch bemerkt, dass mein Kopf vor dem Schreiben wie ein unerforschter Dschungel aussieht. Nach dem Schreiben neuer Notizen für ein paar Minuten sehe ich, dass ich ein paar voneinander abgetrennte Fäden in meiner Hand habe. Ich weiß nicht, welche Bedeutung in ihnen liegt, aber sie sind etwas. Und wenn du etwas in deinen Händen hast, hast du die Millionen von Möglichkeiten, diese Einheit zu etwas Unglaublichem wachsen zu lassen  – vorausgesetzt, du bist aufmerksam genug.









Wie würde ich einen Bestseller schreiben?

Ein Bestseller ist ein Buch, das sehr gut verkauft wird. Eine entscheidende Rolle spielt dabei also – leider oder zum Glück – nicht die Qualität des Geschriebenen, sondern vor allem eine große Beliebtheit des Buches beim Lesepublikum. 

Da das Buch sehr gut bei seinen LeserInnen ankommen soll, sollte sich zunächst sein Autor/ seine Autorin logischerweise damit bestens auskennen, worüber er/sie schreibt. Höchstwahrscheinlich käme hier sogar eine ausführliche Recherche zum Gegenstand des Buches in Frage. Jedoch würde nicht jedes Thema zu einem Bestseller passen. So könnte man als Autor/-in mit der spanischen Eroberung Mexikos bestens vertraut sein und diesem kontroversen Thema einen tollen Roman widmen. Einen Welt-Bestseller daraus zu machen wäre jedoch eine eher unwahrscheinliche Idee, da die daran interessierte Leserschaft eher nicht so zahlreich ist. 

Für einen Welt-Bestseller sollte aus meiner Sicht ein kulturübergreifendes Thema ausgewählt werden, das die meisten LeserInnen ansprechen würde, ungeachtet ihres Kulturkreises und Bildungsstandes, damit man aller Voraussicht nach ins Schwarze trifft. 





Wenn ich eine Schriftstellerin wäre, würde ich mich für die Familienproblematik entscheiden. Ich finde, dass dieses Thema immer aktuell und den meisten Menschen nah und verständlich ist, da es hier vor allem um die menschliche Nähe und emotionale Verhältnisse geht. Da bräuchte ich ja auch keine ausführliche Recherche zu machen, weil ich selbst verheiratet bin und drei Söhne (2, 7 und 10 Jahre alt) habe. Mein Buch könnte auf wahren autobiografischen Gegebenheiten basieren und möglicherweise einige fiktive Züge beinhalten. 

Was ich mir in erster Linie sehr gut überlegen sollte, ist der Handlungsaufbau, der sich aus einer Einführung, einem Konflikt und einer Auflösung (unbedingt ein Happy End!) zusammensetzen sollte. Eine spannende, ideenreiche Handlung ist aus meiner Sicht das Erste, worauf es wirklich ankommt, wenn man einen Bestseller schreiben will. Dabei würde ich gerne auf folgende Themenbereiche eingehen: „Eheproblematik in der Familie“, „Wie kann man Familie und Beruf vereinbaren?“, „Kinder in der Familie: Schwierigkeiten und positive Momente“. In die Handlung meines Bestsellers würde ich zahlreiche skurrile, lustige, traurige, rührende – wahre Details verpacken, aus denen mein persönliches Familienleben momentan besteht (oder einmal bestand), zum Bespiel:

-       Fünf Personen wohnen auf 30 m2 und der Familienvater muss ab und zu mal zu Hause arbeiten. Sein Arbeitsplatz befindet sich im Badezimmer, da es keinen anderen ruhigen Platz zu Hause gibt.

-       Wie kann man als einzige Frau in der Familie überleben? Gibt es ein Leben nach der Geburt des dritten Kindes? Mama wechselt Windeln und schreibt nebenbei ihre Doktorarbeit. 

-       Sind wir nur noch Eltern, oder auch ein Ehepaar? Wer von den Kindern gerade am kleinsten ist, schläft am liebsten im Elternbett. 

-       Die ganze Familie leidet eine Woche lang an einer Darminfektion.

-       Der Mittlere geht in die Schule vormittags. Man muss ihn zur Schule bringen. Dann muss man den Mittleren abholen und den Großen zur Schule bringen – er hat seinen Unterricht nachmittags. Dann muss man den Großen abholen. Und dann haben die beiden vielleicht noch einen Schwimmkurs… Und am Ende des Tages sind die beiden Eltern so müde, als ob sie einen Marathon gelaufen wären. 

-       Der Große geht in die Schule und vergisst seinen Rucksack zu Hause. Weder er noch seine Eltern bemerken das.

-       Der Mittlere hat keine Lust auf seine Hausaufgaben. Mama auch. Da kommt aber der Große und motiviert den Mittleren zum Lernen.

-       Der Kleine braucht keine Spielzeuge aus einem Spielzeugladen. Er spielt am liebsten mit Toilettenpapier. Außerdem isst er besonders gerne alles, war er selber findet, aber nicht das, was Mama liebevoll auf seinen Teller legt. 







So lebendig und authentisch wie möglich zu schreiben, das wäre mein Motto. Selbstverständlich sollte ich wirklich genau an der Sprache meines Buches arbeiten, damit sie eine flüssig zu lesende Alltagsprache bleibt, problemlos Emotionen wiedergibt, zum Nachdenken anregt und nicht abgedroschen klingt. Außerdem würde eine humorvolle Ausdrucksweise eine wichtige Rolle in meinem Buch spielen, um zu zeigen, dass man alle Schwierigkeiten im Familienleben überwinden bzw. überstehen kann – mit Hilfe von ein bisschen Humor.


Polina Astaschkina

Wie man mit Gott sprechen kann (zu Ostern)


Früher dachte ich, dass die einzige Möglichkeit, mit Gott zu sprechen, das Gebet ist. Es hat sich so herausgestellt. Ganz nebenbei habe ich mich im Büro in solchen Sinne ausgesprochen: Bittet und es wird euch gegeben. Und das klang überhaupt nicht nach einer Predigt, sondern war wie ein Scherz, aber ein Scherz mit Bedeutung. Das Gespräch begann, als jemand gesagt hatte: 

- Das ist uns nicht gegeben und das ist uns nicht gegeben und wenig ist uns eigentlich gegeben. 

Und ich habe gesagt: 

- Bittet und es wird euch gegeben. - Ich habe nicht gesagt "betet", sondern "bittet".

- Und wen soll man bitten?  

- Den lieben Gott. Wenn ich ihn gebeten habe, habe ich immer bekommen, worum ich bat, aber ich bitte nicht oft. 


Alle Anwesenden waren zunächst vom Thema selbst schockiert. Wie kann man über das Verborgene so einfach sprechen? Und deshalb hielten alle inne, schwiegen ein paar Sekunden und dann sagte Anna:

- Entschuldigung, alles ist natürlich schön und gut, aber warum muss man um irgendwas bitten? - Gemeint war, dass Gott auch so alles weiß und sieht und wenn er etwas nicht gibt, so weiß er auch warum. Und gibt also auch nicht. Und bitten wäre also quasi eine unnötige Erniedrigung. 

Da musste schon ich es mir überlegen und ich sagte:

- Das sind so unvergleichbare Größen, Anna, du und Gott, dass der einzige Weg, ihn anzusprechen, eine Bitte ist. 

In meiner Seele blieb aber die Frage: Wirklich der einzige? Ich erinnerte mich an alle Fälle, wo ich Gott um etwas gebeten habe. Manche sind mir im Gedächtnis haften geblieben, manche habe ich vergessen. Selbst ein Buch wollte ich einmal über alle diese Fälle schreiben, so unglaublich erschien mir, dass alle meine ernsten Gebete erfüllt wurden.

Begonnen hat es mit dreizehn. Das Radio spielte "Voice of America", es war schlecht zu hören, eine politische Sendung war zu Ende und ein Prediger aus New York begann zu sprechen. Religiöse Sendungen hörte bei uns keiner. Man hört ehe nichts, dabei ist der Bibel-Text auch schwer zu verstehen. Aber diesmal hat der Priester gesagt: 



- Ich werde euch nichts sagen und nichts lehren. Lediglich bitte ich euch, Gott um etwas Wichtiges zu bitten und dann mal zu schauen, was wird. Und damit beende ich diese Sendung. 

Da war ich mal gespannt und dachte mir:

- Komisch... Ob es einen Gott gibt oder nicht kann man nicht beweisen. Und dieser Typ geht hin und will gar nichts sagen. Bittet, sagt er. Und das hielt ich für ein total geniales Herangehen. Man braucht doch auch gar nichts mehr. Bitte einfach - um kleine und große Dinge - und sprich so mit Gott. 

Und seit der Zeit habe ich so viele Jahre lang gemacht. Aber nach dreißig Jahren habe ich noch eine Methode gelernt. Das Schaffen ist auch ein Gespräch mit Gott. 

Aber in diesem Fall bittet Er.


Kirill  


Donnerstag, 17. April 2025

Wenn die Erinnerung ein Bild malt

Meine Gedanken mögen wandern, wohin sie wollen, aber der eine, der immer in meinem Kopf ist, dreht sich um meine Katze. 


Wenn ich zu Hause bleibe und an Orte gehe, wo er gesessen hat, als er noch bei mir war, sehe ich sein Bild vor mir. Es ist seltsam, ja? Aber als mein erster Hund gestorben ist, hatte ich auch dieses Gefühl, dass ich ihn zu Hause sehe.


Es ist eine Täuschung der Vorstellungskraft, ein Ersatz für die Realität. Ich glaube, dass unser Kopf sich an bestimmte Bilder gewöhnt und sie für uns abruft, wenn sie nicht mehr da sind. Das bedeutet, dass ich mich so an meine Katze gewöhnt hatte, dass mein Gehirn sich jetzt automatisch vorstellt, wie er auf dem Rücken auf dem Boden liegt oder wie sein Schwanz mein Bein berührt, wenn ich Frühstück mache.


Es macht mich traurig, wenn ich ihn für eine Sekunde sehe und dann verstehe, dass es nicht real ist und mein Gehirn spielt mir schon wieder einen Streich. Manchmal sehe ich ihn in meinem Traum auch.


Als er noch bei mir war, hatte er eine Tochter. Sie ist seine kleine Kopie. Unsere Nachbarn haben sie weggenommen. 
Wenn ich sie sehe, sehe ich ihn und erinnere mich an die Zeit, als er ein Baby war. Er war schüchtern und scheu und bekam wegen seines tyrannischen Bruders nicht viel zu essen, sodass er die Angewohnheit entwickelte, schnell zu essen.


Viele Leute haben gesagt, dass er verrückte Augen hatte und nicht so aussah wie sein Bruder, grau, groß und majestätisch. Aber ich habe immer gedacht, dass er mit seinem weißen und schwarzen Fell und seinen schüchternen Augen die schönste Katze war, und jeden Tag, wenn ich das Sofa sehe, wo er immer geschlafen hat, denke ich an ihn.


Postkarte von Esmira Alieva






Mittwoch, 16. April 2025

Ich bin immer online!

Ich denke, immer online zu sein ist eigentlich ein Problem. Wir müssen viele Stunden im Internet verbringen, ob wir es wollen oder nicht. Die Arbeit im Internet, die Freunde, die Deutschbücher, die Spiele. Das Internet ist für uns zur größten Bibliothek geworden, weil man fast alles dort finden kann. Jedoch mitunter will man ein echtes Buch lesen. Dann geht man in eine Bibliothek, wo man andere Leute sehen kann. Zweifelsohne kann ein Mensch ruckzuck irgendwelche Informationen bekommen: wie man ein Ei kocht, wie man mit Python programmiert, die Rechnungen zahlen, ein Taxi aufrufen, der Weg finden, an Online-Unterricht teilnehmen oder etwas recherchieren, zum Beispiel wissenschaftliche Datenbanken. Das Letzte ist für mich besonders wichtig. Viele Vorteile!

Aber zurück zum Problem: ein Kommunikationsverlust, eine Pseudowissenschaft, ein ständiges Scrollen in sozialen Medien, wenn eine Stunde wie eine Minute vergeht – sie alle zusammen belasten unser Gehirn. Niemand sollte seine Realfreunde vergessen. Wir müssen nicht nur unsere Kinder im Internet kontrollieren, sondern auch uns selbst: welche Abendshows wir konsumieren und wie viele Stunden auf YouTube pro Tag wir haben, und dass die Onlineverständigung die reale Kommunikation nicht ersetzt.

Endlich kann ich sagen, wenn man die guten und schlechten Seiten des Internets kennt, ist es wichtig, auf Mäßigung zu achten.



Sklaverei

Heute hat meine Frau Geburtstag, das Kind ist krank geworden, im Ergebnis habe ich mich zur Arbeit verspätet. Alles durcheinander, im Büro ist man damit nicht wirklich zufrieden. Und es ist im Stil meines Vaters in diesem Moment über Philosophie nachzudenken. 


Unser Professor an der Hochschule sprach darüber wie die alten Griechen sich in der Welt und im Leben gefühlt haben. Sie würden sich keine Sorgen machen, dass ihre Zivilisation ein Ende genommen, verloren hat, dass sie es nicht geschafft und alles verzockt haben. Alles wird geboren, blüht auf und stirbt letzten Endes. Das war für die Alten ganz normal. Der Wert ihres Lebens lag in den Worten "hier und jetzt" und sie regten sich wegen der Sklaverei zum Beispiel nicht auf. Die Sklaverei war für sie in der menschlichen Natur und sie dachten nicht, dass man sie einfach abschaffen kann. Wie im Gefängnis blieb nur der ein Mensch, der wegen einer unbedeutender Kleinigkeit fertig war zu sterben. Das war ein freier Mensch. Bist du nicht bereit zu sterben, dann bist du ein Sklave. Und mit denen übte niemand im alten Griechenland Mitleid. Sokrates zog zurück mit dem Heer und wehrte sich aktiv. Philosophen schreiben von der Sklaverei wie von einer gewöhnlichen Sache. 

In unserer Zeit kann sich kaum jemand leisten sich wegen einer Kleinigkeit zu schlagen. Aber es gibt eine Schwelle, hinter der die Kleinigkeiten wichtig zu sein beginnen. Und wenn man diese Schwelle aufschiebt, nimmt die Sklaverei zu.

- Ja, Kirill, hallo. ... Ja, ich komme gleich. - Da bestellt mich die Chefin doch in ihr Büro.  

Kirill

(auf dem Foto: Österreichische Akademie der Wissenschaften)

Sonntag, 13. April 2025

Wer hat noch ein Euro?

 Drei Gitarristen haben sich nach dem Konzert gezankt und sind für die Nacht in einem billigen Hotel abgestiegen. Der Hotelbesitzer sagte ihnen, dass drei Einzelzimmer ihnen 30 EUR kosten werden. Als die Gäste auf ihre Zimmer gingen, dachte er, dass er zu viel für solche schlechte Bedingungen genommen hatte und schickte einen Jungen, um ihnen 5 EUR zurückzugeben. Der Junge überlegte sich, wie man drei Leuten 5 EUR geben kann,  kam auf keine Idee, gab 3 EUR zurück und behielt 2 EUR. Also, dreimal neun macht 27 EUR - die haben die drei Gäste - plus 2 EUR hat der Junge.


Wo ist übrigens noch 1 EUR? Kirill 

Der einfachste Flug

 Regenwürmer. 

Wenn es im Frühling zu regnen beginnt, kommen viele Würmer aus der Erde und liegen, und kriechen auf dem Asphalt: Wozu machen sie das? Man bekommt den Eindruck, dass sie fliegen wollen. Das tun sie demnächst auch, aber schon im Bauch der begeisterten Vögel, die auf sie ungeduldig


warten. Eine einfache Flugmöglichkeit. 

Kirill 

Samstag, 12. April 2025

Eine Impfung gegen Traurigkeit

 Zwei Männer tragen einen Spiegel auf der Straße. Er bewegt sich mal nach rechts, mal nach links, sie heben ihn, stellen auf die Seite. Darin widerspiegeln sich die Wolken und plötzlich - schlägt die Sonne in die Augen!

Ich erinnere mich an diese Szene, wenn ich nicht traurig oder ängstlich sein will. zum Beispiel in der U-Bahn, wenn der Zug lange im Tunnel steht. 



Und noch weiß ich, dass wenn man seinen Tag damit anfängt, dass man den Verstärker VOX und eine E-Gitarre einschaltet und zehn Minuten spielt, wird dieser Ton - der wunderbare Ton - einen bis zum Abend begleiten. Es ist nur schade, dass sich diese zehn Minuten nie finden.

Kirill