Samstag, 26. April 2025

Aprilember

Momentan haben wir eigentlich Frühling, aber es schneit schon die ganze Woche lang. Aprilschnee. Er bedeckt rücksichtlos das zartgrüne Gras, die ersten gelben Blümchen. Alles verwandelt sich zuerst in Weiß, dann aber in Schmutz und Dreck, weil der Aprilschnee doch schnell taut. 

Eines Tages mitten im Frühling kommt es sogar zu einem Schneesturm. Ich bin draußen mit meinem Sohn Sachar. Als der Sturm sich legt, kann ich unsere Spuren im Schnee sehen. In meinen Fußabdrücken erkenne ich Umrisse von Schmetterlingen. Egal wo ich hingehe, hinterlasse ich Schmetterlinge. Erst jetzt wird es mir bewusst. Ich zeige sie Sachar. Er berührt vorsichtig ihre Flügel, aber die Schmetterlinge regen sich natürlich nicht. Sie können nicht flattern und bleiben für immer im Schnee erstarrt. Schmetterlinge im Schnee. Ich halte innen. Fühle mich auch wie erstarrt. Stumme Winterstarre mitten im Frühling.

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Aprilschnee im April 2020 wahrgenommen. Corona-Pandemie. Auf einmal war alles ganz anders. Die Pandemie hat uns alle verändert und wir haben gelernt, wie eine Schnecke zu sein. Oder wie eine Raupe im Kokon. Wenn es alles online gibt, braucht man es ja nicht unbedingt, rauszugehen. Online Meetings, Online Shopping, Online Dates. Online-Wahlen.

Die Pandemie hat mir aber die Hoffnung gegeben, dass es mal auch Kriege nur online gibt. Die Menschen aus der ganzen Welt hatten ja alle zusammen gegen den gemeinsamen Feind Covid-19 zu kämpfen und es war da einfach überflüssig, einander zu bekriegen. 

Leider funktioniert # StayHome. Save Lives im Moment nicht mehr. Viele Menschen können nicht mehr zu Hause bleiben, weil sie vor Bomben fliehen müssen. Viele Leben können nicht gerettet werden, weil Raketen alles um sich herum zerstören. 

Da stelle ich mir die Frage: Was für eine Welt hinterlassen wir unseren Kindern? Voller beflügelnder Zukunftserwartungen oder doch voller bitterer Verantwortung für zerstörte Häuser und Schicksale? In diesem April zeige ich Sachar regungslose Schmetterlinge im Schnee, die meine Füße hinterlassen haben. Was werden unsere Kinder im nächsten April sehen? Unsere Kinder, die wir zum Glück immer noch nur offline bekommen können. Und sie werden geboren, auch wenn Kriege toben. Abgesehen davon und den Kriegen zuwider. Mein zehnjähriger Sohn kam am vierundzwanzigsten Februar zur Welt.

Schnee erinnert mich jedes Mal ans Neujahr. Neuanfang? Weiße Hoffnung inmitten vom schwarzen Dreck? 

Der Schnee taut und das zartgrüne Gras und die gelben Blümchen sind wieder da. Die leblosen Schmetterlinge im Schnee gibt es nicht mehr. Raupen verwandeln sich in Schmetterlinge und fliegen aus dem Kokon raus. Blumen warten auf Schmetterlinge. 





Unsere Welt wartet auf den Frieden.  


Polina Astaschkina

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